Straßen-Gabelung mit Verkehrsschildern (Verbot der Einfahrt und Richtungspfeil) – Visualisierung für Wegweiser zur Barrierefreiheitserklärung

Erklärung zur Barrierefreiheit: Hintergrund, Anleitung, Muster

Mit konkreten Inhalten/Daten für jedes Bundesland!

Eine Erklärung zur Barrierefreiheit ist eine Dokumentation zum Stand der barrierefreien Umsetzung einer Website oder einer App. Eine solche Doku ist im Rahmen der BITV 2.0 verpflichtend (Prüfschritt 12.1.1), und zwar nicht nur für öffentlich zugängliche Internet-Seiten, sondern auch für Intranet und Extranet. 

Die Erklärung muss von jeder Seite des digitalen Angebots erreichbar sein. In der gängigen Praxis heißt das: eine HTML-Seite, die im Footer verlinkt ist –  mit dem eindeutigen Linktext „Erklärung zur Barrierefreiheit“.

Folgende Fragen sollen innerhalb der Dokumentation beantwortet werden:

  • Welches Niveau der Barrierefreiheit erfüllt die Plattform?
  • Welche Barrieren bestehen (noch) auf der Website, und wann werden diese (gegebenenfalls schrittweise) abgebaut?
  • Welche (besonderen) Funktionen im Sinne der Barrierefreiheit gibt es? Darunter fallen keine selbsterklärenden, gängigen Features wie ein Umschalter für Kontrast-Ansicht oder eine Schrift-Vergrößerung via Icon. Eine integrierte Vorlese-Funktion, die Aktivierung spezieller Farb-Schemata oder eine separate, kompakte Version der Website in „Leichter Sprache“ ist aber nennenswert.  
  • Wann wurde die Erklärung erstellt, und wann zuletzt aktualisiert?
  • An wen kann man sich wenden, wenn man auf eine Barriere gestoßen ist?
  • Wo kann man sich offiziell beschweren (z. B. wenn auf die Meldung einer Barriere keine Rückmeldung erfolgt)?

In der Fachsprache laufen Ihnen dafür die folgenden Anforderungen über den Weg:

  • Konformitätserklärung: Status zur Umsetzung der Barrierefreiheit + Datumsangaben
  • Feedback-Mechanismus: Kontakt-Optionen, insbesondere zur Meldung von Barrieren
  • Durchsetzungsverfahren: offizielle Schlichtungsstellen

Der verflixte Föderalismus – die persönliche Note des Bundeslands bei der Erklärung zur Barrierefreiheit

Wir leben in Deutschland, und es wundert nicht, dass jedes Bundesland seine eigenen für die Barrierefreiheit zuständigen Stellen besitzt. Manche lassen es sich natürlich nicht nehmen, selbst bei einer relativ banalen Dokumentationsanforderung Sonderwege zu beschreiten.

Beispiel: In Sachsen-Anhalt ist auf der Erklärungsseite ein Kontaktformular verpflichtend, während in den meisten anderen Bundesländern die Angabe einer E-Mail-Adresse für die schriftliche Kontaktaufnahme reicht. Eine Telefonnummer verlangt im übrigen jedes Bundesland als alternative Kontakt-Angabe.

Screenshot: fehlerhafte Seite „Erklärung zur Barrierefreiheit“ auf der Website des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen Niedersachsen, hervorgehobene Headline-Auszeichnung H2 und H3 in Navigation über der H1 der Seite
Auch typisch deutsch: Wir haben zwar wahnsinnig viele Verwalter von Vorschriften, dafür weniger Zeit, um das Geforderte vernünftig umzusetzen. Die Erklärung zur Barrierefreiheit der Schlichtungsstelle Niedersachsen weist schwerwiegende semantische Fehler auf. Den BITV-Test, bei dem insbesondere diese Seite gern untersucht wird, besteht diese Behörde leider nicht ...

Die folgende Anforderungsliste und Musterbeispiele habe ich nach bestem Wissen und Gewissen auf Basis einer Analyse von 10 Bundesländern erstellt. Ich übernehme keinerlei Haftung für die Anwendung dieser Vorgaben durch Dritte. Das musste kurz sein, aber jetzt geht’s los:

1. Headline

Wer hätte es gedacht, auch so eine Seite beginnt mit einer knackigen H1-Headline, die gängiger Weise „Erklärung zur Barrierefreiheit“ lautet, ggf. können Sie auch noch den Namen der Website oder „dieser Website“ ergänzen.

2. Intro

  • Aufführung der betroffenen URLs (die Adressen der Internet-Seiten), optional mit Launch-Datum: Soll die Erklärung für mehrere Websites (z. B. Intranet, Extranet, App) gelten, sind alle zu nennen.
  • Bezugnahme zur gesetzlichen Grundlage für Barrierefreiheit im jeweiligen Bundesland. Die kopiert man am besten aus der Erklärung zur Barrierefreiheit der jeweiligen Schlichtungs-/Durchsetzungsstelle, die ich in der Tabelle unten für jedes Bundesland aufgeführt habe.
  • Datum der Erstellung der Erklärung und letzte Aktualisierung (sie sollte einmal pro Jahr aktualisiert werden, was hier zum Ausdruck gebracht wird)
  • Optional und vorbildlich: Anker-Link auf das Kontaktformular beziehungsweise die Kontakt-Optionen zur Meldung von Barrieren

Beispiel für Sachsen-Anhalt (hier und auch bei folgenden Text-Mustern setze ich die Angaben des jeweiligen Absenders fett und kursiv):

„Wir sind bemüht, unsere Website URL barrierefrei zu gestalten. Dies geschieht auf Grundlage

  • des Paragrafen 16a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Behindertengleichstellungsgesetz Sachsen-Anhalt sowie
  • Paragraf 11 Behindertengleichstellungsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt.

Diese Erklärung wurde am Datum erstellt und am Datum überprüft.

Sollten Sie bei der Nutzung unseres Webangebots auf Barrieren stoßen, teilen Sie uns diese mit.“ (Die letzten 5 Wörter wären per Anker verlinkt.)

3. Stand der Umsetzung zur Barrierefreiheit

  • Aussage zur Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Vorgaben: voll, teilweise, nicht vereinbar
  • Optional: Bezug zu weiteren Vorgaben (z. B. WCAG 2.1 und Level AAA), wenn die Umsetzung der Barrierefreiheit über das gesetzlich Geforderte hinausgeht
  • Liste mit konkreten Verstößen gegen die Barrierefreiheit (optional mit der Ergänzung des Kriteriums der BITV 2.0 – es gibt Bundesländer, die diese Ergänzung einfordern)
  • Ausblick darauf, bis wann die bestehenden Barrieren beseitigt werden sollen
  • Hinweis auf den Zeitraum der letzten Überprüfung und die Art der Überprüfung (Selbstbewertung, BIK BITV-Test inkl. durchführendem Dienstleister)

Beispiel:

„Diese Webseite ist mit den gesetzlichen Anforderungen zur Barrierefreiheit teilweise vereinbar. Folgende Elemente und Funktionen entsprechen nicht den Richtlinien:

Nicht alle aufgezeichneten Videos enthalten Untertitel (BITV-Prüfschritt 9.1.2.2).

Bilder und Grafiken ohne informative Funktion beinhalten zum Teil einen Alternativtext (BITV-Prüfschritt 9.1.1.1c)

Diese Einschätzung beruht auf einer vom Datum bis Datum durchgeführten Selbstbewertung durch Unternehmen.

Wir haben vor, diese Mängel im Rahmen der redaktionellen Überarbeitung unserer Inhalte bis zum Datum zu beheben.“
 

Screenshot: Seite „Erklärung zur Barrierefreiheit“ auf der Website des Landesbehindertenbeauftragten Bremen mit Hinweisen zu Tastatur-Steuerung und Vergrößerung
Zuviel des Guten: Die Schlichtungsstelle in Bremen erläutert jede Standard-Funktion zur Barrierefreiheit, zum Beispiel die Vergrößerung der Schrift über die Tastatur mit STRG- und Plus-Taste.

4. Kontakt, Barrieren melden

  • Unternehmen, Ansprechpartner für Barrierefreiheit, Anschrift, ggf. Telefon, E-Mail-Adresse
  • Einladung, Barrieren auf der Website zu melden – mit dem Hinweis, dies im Idealfall mit konkreter Seiten- bzw. URL-Nennung sowie einer möglichst genauen Beschreibung des Fehlers, inklusive Betriebssystem, Browser, Endgerät.
  • Mindestens 2 Kontakt-Optionen zur Meldung von Barrieren: Telefon sowie E-Mail oder Kontakt-Formular (Sachsen-Anhalt verlangt zwingend eines); auf barrierefreie Verlinkung achten!
  • Option Kontakt-Formular, ggf. mit Upload-Möglichkeit von Screenshots: barrierefreie Umsetzung notwendig

Das Kontakt-Formular kann sich auch auf einer anderen Seite befinden. Besser und schlüssiger ist es, das Formular auf der Erklärungsseite zu integrieren. 

Es besteht die Option, die URL der Seite, von der aus die Erklärung zur Barrierefreiheit erreicht wurde, automatisch in so einem Formular zu generieren. Dann muss eine solche Anwendung in den Datenschutz-Bestimmungen berücksichtigt werden.

Auf den zweiten Blick ist eine solche Option gar nicht so komfortabel. Denn oft beziehen sich eingereichte Meldungen gar nicht auf eine bestimmte Seite, sondern auf übergeordnete Probleme. 

Beispiel:

„Ihr Ansprechpartner für den barrierefreien Zugang zu unserem Angebot:

Vorname, Name

Unternehmensname

Straße, Nr.

PLZ, Ort

Sie haben Barrieren auf unserer Website entdeckt?

Teilen Sie uns diese gern mit, damit wir aktiv werden können. Im Idealfall benennen Sie eine konkrete Seite (mit URL), auf der das Problem auftritt; dazu Ihre Browser-Version (z. B. Firefox, Chrome, Safari) sowie Ihr Betriebssystem (z. B. Mac OS, Windows, iOS, Android). 

Folgende Kanäle stehen Ihnen dabei zur Verfügung:

  • Telefon: Tel-Nr.
  • E-Mail an E-Mail-Adresse“

5. Beschwerde-Möglichkeit bei einer Durchsetzungsstelle

  • Kurze Erläuterung, wann eine Beschwerde angebracht ist
  • Nennung der Stelle mit Anschrift und Kontaktdaten (Ansprechpartner optional) sowie
  • ggf. Link zur Internet-Seite dieser Beschwerdestelle oder direkt zum entsprechenden Online-Formular (wenn vorhanden)

Beispiel:

„Wenn Sie uns eine Barriere gemeldet haben und wir Ihnen nach vier Wochen keine (zufriedenstellende) Antwort gegeben haben, können Sie sich bei der Durchsetzungsstelle des Bundeslands beschweren:

Name Durchsetzungsstelle

Ansprechpartner

Straße, Nr. 

PLZ, Ort

E-Mail: E-Mail-Adresse

Telefon: Tel.-Nr.

Internet: URL

Antrag zur Einleitung eines Schlichtungsverfahrens: Adresse Online-Formular

Die Schlichtungsstelle soll Streitigkeiten über barrierefreie Informationstechnik zwischen Menschen mit Behinderungen und den Absendern der Web-Inhalte beilegen. Das Schlichtungsverfahren ist kostenlos und ein Rechtsbeistand ist nicht notwendig.“

 

Der größte Zeitaufwand bei der Erklärung zur Barrierefreiheit fällt für die Liste der nicht erfüllten Anforderungen an. Nicht nur deshalb ist es ratsam, so barrierefrei wie möglich zu sein :-).

Mit den Angaben zu den gesetzlichen Rahmenbedinungen der Bundesländer oder zu den Schlichtungsstellen mache ich es Ihnen so einfach wie möglich: In der nachfolgenden Tabelle habe ich die Erklärungen zur Barrierefreiheit der Durchsetzungsstellen (oder der Seiten, in denen diese eingebettet sind) für jedes Bundesland verlinkt.

So können Sie sich – neben meinen Beispiel-Texten – an einem konkreten Muster des Bundeslands bedienen und etwaige Besonderheiten berücksichtigen. Des Weiteren können Sie die Paragraphen, Adressen und Co. bequem kopieren, denn diese sollten auf den jeweiligen Seiten korrekt angegeben sein.

Kleine Anekdote am Rande: Sachsen-Anhalt schreibt in seinem Leitfaden zur Erklärung zur Barrierefreiheit ein Kontakt-Formular vor. Die Landesfachstelle für Barrierefreiheit hält sich bei ihrer eigenen Erklärung aber nicht daran und verlinkt lediglich ein allgemeines Kontakt-Formular auf einer anderen Seite ...

Markus Wierl Porträtfoto
Markus Wierl
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